Das Wiederladen von Munition 

Nach sehr zögernden Wiederanfängen in den Jahren nach 1945 nahm das Wiederladen von Munition in den 60er und frühen 70er Jahren auch in Deutschland wieder erheblich zu. Heute hat das Wiederladen einen festen Platz in der Jagd und im Schützensport eingenommen. Nicht nur um die erheblichen Munitionskosten zu senken, sondern auch um die Patrone im Rahmen der gesetzlich zulässigen Laborierungen individuell der Waffenpräzision anzupassen. Die dazu erforderlichen Gerätschaften stammen überwiegend aus dem Mutterland des Wiederladens, der USA. Sie sind inzwischen überall zu haben.

Alle notwendigen Utensilien sind in Deutschland frei verkäuflich und unterliegen nicht dem Waffengesetz. Wer jedoch im nichtgewerblichen Bereich Nitrozellulose- oder Schwarzpulver erwerben, transportieren und verwenden möchte, benötigt eine Erlaubnis nach dem Sprengstoffgesetz. Diese Erlaubnis setzt eine umfangreiche Ausbildung mit abschließender Sachkundeprüfung voraus. Die Lehrgänge werden über Schützenverbände ebenso angeboten wie von den vielen Fachhändlern von Waffen- und Wiederladeartikeln. Teil der Lehrgänge sind zum Beispiel die Empfindlichkeit und die Wirkungsweise der gebräuchlichen explosionsgefährlichen Stoffe, die unfallsichere Handhabung und Anwendung von explosionsgefährlichen Stoffen, die Rechtsvorschriften über den Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen. Außerdem muss der Bewerber bzw. die Bewerberin vor der Zulassung zur Prüfung bzw. zum Lehrgang folgende Voraussetzungen erfüllt haben: Die Zuverlässigkeit (Unbedenklichkeitsbescheinigung), die körperliche Eignung und ein Mindestalter von 21 Jahren. Außerdem muss ein Bedürfnis nachgewiesen werden. Das heißt, dass bereits eine Erwerbsberechtigung für die Munition vorliegt, die man dann später selbst wiederladen möchte. Wurde die Erlaubnis nach dem Sprengstoffgesetz und seinen Verordnungen in früheren Jahren durch die Gewerbeaufsichtsämter vorgenommen, so werden heute entsprechende Anträge bei der Kommune (Bürgeramt) gestellt.

Welches Treibladungspulver, von welchem Hersteller, für welche Patrone, für welches Geschoss, für welche Waffe und für welchen Zweck Verwendung findet, kann hier beim besten Willen nicht im Einzelnen erläutert werden. Hier sollte der Wiederlader im Rahmen seiner Ausbildung oder durch entsprechende Literatur sein Wissen aufbauen und erweitern. Unzählige Tabellen mit Ladedaten decken alle genannten "für welche" Verwendungen ab. Folgende Pulverhersteller wetteifern um die Gunst der Wiederlader: ADI - Alliant (Hercules) - Accurate Arms -  Hodgdon - IMR (Du Pont) - Norma - Pyrodex - Ramshot - Rottweil (RWS) - Scott - Somchem - Vectan-Tubal (SNPE Nobel-Sport) - Winchester - Vihtavuori (Kemira) - PB (Clermont). Genauso vielseitig wie die Verwendungszwecke oder die Pulverhersteller sind dann auch die jeweils produzierten Pulversorten. Diese unterscheiden sich innerhalb eines Herstellers nach ihrer Pulverform (Blätter- Kugel- Stäbchen- Röllchen-Pulver) und der relativen Abbrenngeschwindigkeit. So spricht man von offensiven und progressiven Pulversorten.

Die Hülse ist das zentrale Element der Patrone. Sie dient der Aufnahme des Zündhütchens, des Treibladungspulvers und natürlich des Geschosses und wird so zu einer sicheren und gegen Nässe und Schmutz geschützten Einheit. Die Messinghülse ist das Gold des Wiederladers, den man übrigens stets daran erkennt, dass er seine abgeschossenen Hülsen immer schön einsammelt und so auch einen  Beitrag zum rohstoffbewusstem Recycling leistet. 

Das eigentliche Wiederladen beginnt mit dem so ungeliebten Fetten der Hülsen. Dieses ist erforderlich, um den Reibungswiderstand herabzusetzen und so Material und Werkzeug zu schonen. Hierfür verwendet man mineralische (nichttierische) Fette. Lediglich bei Kurzpatronen bzw. bei Verwendung von Hartmetallkalibriermatrizen (was für ein Wort) kann das Fetten entfallen. Werden lange Hülsen nicht gefettet, ist ein Steckenbleiben kaum zu vermeiden. Ein solcher Stecker kann nur mit Spezialwerkzeug beseitigt werden. Dieses Werkzeug gehört also in die Grundausstattung, auch wenn man es vermutlich nie braucht – aber wenn doch, dann richtig. Mittels einer stabilen Pressvorrichtung wird nun die gefettete Hülse in einer Kalibriermatrize wieder in Form gebracht. Bei diesem Vorgang wird über einem zentralen Hartmetallstift gleichzeitig das alte Zündhütchen ausgestoßen. Die heutigen Hülsen sind überwiegend mit einem zentralen Zündloch für Ambosszündhütchen ausgestattet. Nach dem Ausstoßen des alten abgeschlagenen Zünders muss das Zündloch zunächst von Ablagerungen und Rückständen befreit und gereinigt werden und ggf. wird auch Hülsenmund mit einem speziellen Werkzeug entgratet. Auch müssen Schmauch und Schmutz aus dem Inneren der Hülse entfernt werden und natürlich muss das gesamte Fett wieder runter. Das Fett könnte sonst bei den weiteren Bearbeitungsschritten in das Hülseninnere gelangen und später mit dem Pulver eine Verbindung bzw. eine chemische Reaktion eingehen. Man kann dieses Hülse für Hülse in mühseliger Handarbeit tun, oder auf effektive Hülsenreinigungsgeräte zurückgreifen. Auf jeden Fall muss jede Hülse vor der Neubefüllung akribisch auf ihre Verwendbarkeit geprüft werden. Hülsen mit Rissen, Rostnaben oder anderen offensichtlichen Schäden gehören in die Tonne. Die enormen Gasdrücke, je nach Kaliber in Bereichen bis ca. 3000 bar angesiedelt, könnten nicht nur zur Sprengung der Hülse sondern auch zur Waffensprengung führen. Abgesehen vom materiellen Schaden (so manche teure Sammlerwaffe hat so ihr Zeitliches gesegnet) ist die damit verbundene Gefahr für den Schützen nicht annähernd zu beschreiben. Also, jede unbrauchbare Hülse sofort mit einer Zange zusammenquetschen und entsorgen.

Die unterschiedlichsten Wiederladegerätschaften stehen hier dem Wiederlader zur Auswahl. Von der handlichen Einstationenpresse bis zur komfortablen Mehrstationenpresse, so wie es dem Geldbeutel beliebt. Firmen wie RCBS, Hornady, Dillon und Lee kämpfen mit ihren Wiederladeartikeln auf dem europäischen Markt um steigende Marktanteile.     

Im nächsten Schritt wird nun in die kontrollierte und gereinigte Hülse ein neues Zündhütchen gesetzt. Auch dieses geschieht mit technischer Hilfe. Nachdem der Hülsenmund in einem weiteren Arbeitsschritt wieder leicht aufgeweitet wurde (er soll ja schließlich ein neues Geschoss aufnehmen können) wird über eine Pulverwaage nun die exakte Menge des Treibladungspulvers abgewogen und mittels Trichter in die Hülse gefüllt. Die Füllmenge für das Treibladungspulver wird in fast allen Tabellen in "grain" angegeben. 1 grain entspricht 0,065 Gramm. Eine Patrone im Kaliber .38 Spezial wird je nach Pulversorte und Geschossgewicht mit ca. 4 grain befüllt - das heißt, 0,26 Gramm. Somit fällt die Verwendung einer Küchenwaage mit Sicherheit aus. Spezielle Pulverwaagen übernehmen diesen anspruchsvollen Job. Sie sehen an diesem Beispiel, wie sorgfältig hier gearbeitet werden muss. Bei größeren Munitionsmengen empfiehlt es sich, ein gutes Pulverfüllgerät anzuschaffen. Ist dieses einmal exakt eingestellt, füllt es bei jedem Füllvorgang die gleiche Pulvermenge in die Hülse. In Verbindung mit einer dazu passenden Mehrstationenpresse - eine Anschaffung fürs Leben. Nachdem nun die Hülse neu befüllt wurde, fehlt nur noch das Geschoss. Auch hier gibt es die verschiedensten Möglichkeiten. Man kann auf handelsübliche Geschosse zurückgreifen, wie sie z.B. von Händler&Nattermann, Sierra, Norma oder Hornady hergestellt werden. Oder aber man fertigt seine Geschosse selbst. Hierzu sei aber gesagt, dass der Umgang mit geschmolzenem Blei und Gießkokillen auch erhebliche gesundheitliche Risiken birgt. Nicht nur die giftigen Stoffe, die der Bleischmelze zugefügt werden, z.B. Antimon, um den Härtegrad zu variieren, sondern auch die Verbrennungsgefahr, die vom heißen Blei ausgeht, ist nicht zu verachten. Dazu kommt das Problem mit der Rohstoffbeschaffung. Blei und Zinn sind nicht gerade an jeder Ecke zu erwerben und haben, je nach Quelle, einen stattlichen Preis. Hinzu kommen die Anschaffungskosten für den Schmelzofen, die Fettpresse zum Kalibrieren und Fetten der Geschosse und natürlich die teuren Gießkokillen mit allem Zubehör. Da man seine wertvolle Freizeit nicht in unbegrenztem Maße zu Verfügung hat, sollte auch der Zeitfaktor für die Geschossherstellung nicht unberücksichtigt bleiben. Und spätestens dann hat das "Frauchen" auch noch etwas gegen das Bleikochen im Wohnzimmer oder auf dem Küchenherd. Im Hinblick auf die giftigen Dämpfe und dem Dreck ist dieses auch nicht zu empfehlen.   

Das Geschoss wird nun vorsichtig in den geweiteten Hülsenmund gesetzt und mittels eines Setzstempels (innerhalb der Geschosssetzmatrize) langsam in die Hülse gedrückt. Der Setzstempel muss natürlich zuvor auf die exakte Patronenlänge eingestellt werden, denn sie kann je nach Geschossform abweichen. Zuletzt wird die Patrone noch gecrimpt. Das bedeutet, der obere Hülsenrand wird wieder fest an das Geschoss gedrückt, um so einen festen Sitz, eine optimale Abdichtung und einen gleichbleibenden Ausziehwiderstand zu gewährleisten. Die bekanntesten Crimparten sind Roll- und Tapercrimp.

Zusammenfassend kann hier gesagt werden, wer heute ambitionierten Großkaliber-Schützensport betreiben will, größten Wert auf Präzision legt und/oder seine Munitionskosten reduzieren will/muss, kommt irgendwann an dem Thema "Wiederladen von Patronen" nicht vorbei. Hier eine kleine Auswahl der aktuellen Fachliteratur und Software.

Wer Rechtschreibfähler findet darv sie behalten!